Tag 20: Idaho

Guten Morgen, Sonnenschein. Der Sonnenschein kann aber nicht über die Temperaturen hinwegtäuschen, die hier in Yellowstone im Juni nachts herrschen. Nachdem wir vorgestern die Gasvorräte aufgeüllt haben, haben zwei Nächte die Gasbestände um ein Drittel reduziert. Der Frühstückstisch ist schön vorgewärmt, denn der Heizungsauslass ist unter dem Tisch.

Wir entscheiden uns, das ganze Wohnmobil einmal durchlüften zu lassen. Denn wenn jemand vom Campingplatz-Klo zurückkommt und meint, im Wohnmobil stinkt es, dann ist das auf jeden Fall eine gute Idee.

Nach den verschiedenen Experimenten mit Jalapeno-Spam etc. gehen wir diesmal wieder zum guten, 76 Jahre alten, konservativen Spam über. Ziemlich pünktlich um 1100 verlassen wir dann den Campingplatz. Es ist wieder hauptsächlich ein Fahrtag. Wir fahren bis zum Craters of the moon KOA. Dort werden wir sicher wieder Internet haben.

Zuerst müssen wir aber wieder quer durch den Yellowstone Nationalpark inklusive aller Staus, wenn irgend eine Art von Tier zu sehen ist. Nach dem Nationalpark kommen wir wieder nach Montana. In der ersten Stadt versuchen wir unser Glück mit Wardriving. Man muss ja nicht unbedingt auf den nächsten Campingplatz warten, um Internet zu haben. Leider versagen wir aber kläglich und kommen in kein einziges WLAN hinein. Ein schwerer Rückschlag auf dem Weg zur Weltherrschaft.

Bei dem ganzen Suchen nach WLANs fahren wir dann sogar auf dem falschen Weg raus aus der Stadt. Auf der Landstraße draußen suchen wir uns dann den denkbar ungünstigsten Platz zum Umdrehen aus. Schlaglöcher in Badewannengröße machen es zu einem Abenteuer. So können wir zwar noch einmal durch die Stadt fahren, haben aber wieder keinen Erfolg.

Danach geht es weiter unserem Ziel entgegen. Links und rechts der Straße stehen 2 Meter hohe Markierungen der Fahrbahnbegrenzung. Es könnte sein, dass der Schnee hier im Winter etwas höher liegt also sonstwo. Nach kurzer Fahrt kommen wir nach Idaho. Dass man in Idaho ist, merkt man in erster Linie daran, dass die Straßen augenblicklich schlechter werden.

Seltsame Fahrzeuge bevölkern die (schlechten) Straßen von Idaho

Seltsame Fahrzeuge bevölkern die (meist schlechten) Straßen von Idaho

Grundsätzlich ist es in den USA üblich, kaputte Straßen nicht zu reparieren, sondern Warnschilder aufzustellen. Das wird in Idaho perfektioniert. Wenn irgendwo der Straßenbelag zerbröselt ist, wird ein Warnschild hingestellt, die Geschwindigkeit auf 20 mph beschränkt und die Sache ist erledigt. Das ist effizient und spart einen Haufen Geld.

Langsam wird es wieder Zeit zu Tanken. Die Anzeige ist wieder bei einem Viertel angelangt. Die ersten Tankstellen bieten den Benzin um 3,79 $ pro Gallone an. Weil das noch nah am Nationalpark ist, denken wir uns, dass es schon noch billiger werden wird. Wir fahren also etwas weiter. Die näch Tankstelle verkauft das Zeug um 3,85 $, was keine Verbesserung darstellt. Also wieder weiter.

Bei der nächsten sind wir schon bei 3,99 $ und wir werden das Gefühl nicht los, dass wir immer weiter in Richtung teures Benzin fahren. Wenn das so weiter geht, kostet das Zeug noch so viel wie in Österreich. Das würde unserer Reisekasse den Gnadenstoß versetzen. Wieder eine Weile später kostet es wieder 3,85 $, was immerhin billiger ist als bei der vorigen.

Da es kaum noch billiger werden wird in diesem Staat, entschließen wir uns hier zu tanken. Als wir stehen bleiben, sehen wir, dass die Tankstelle „Last Chance General Store“ heißt. Da beschleicht uns irgendwie ein komisches Gefühl. Dieses bestätigt sich, als nach dem Tankbeginn der Preis an der Zapfsäule mit 3,909 $ angegeben wird. Darunter steht angeschrieben: 5 Cent Rabatt bei Barzahlung.

Da haben sie uns wieder mal eine Falle gestellt. Überall wird man hier abgezockt. Und Windschutzscheibenwaschwasser ist auch keines vorhanden. Ein dickes Minus für die Shell-Tankstelle. Die haben ihre letzte Chance bei uns verspielt. Aber immerhin haben wir jetzt wieder einen ¾ vollen Tank. Da man nur für 99 $ mit der Kreditkarte tanken kann, ist sich kein voller Tank ausgegangen.

Nach ein paar weiteren Meilen gibt es einen Fahrerwechsel. Die nächste Stunde fahren wir hinter einem Nissan her, der seinen Tempomaten auf 62 mph eingestellt hat. Wir tun also das selbe und fahren in gleichbleibendem Abstand hinter ihm her. Als uns das zu blöd wird, bleiben wir bei einem historic point stehen und machen einen Fahrerrückwechsel.

Alle Tankstellen, an denen wir von nun an vorbei kommen, verkaufen den Benzin um 3,79 $ pro Gallone. Bei der Fahrt sind wir bei vielen abgesperrten Arealen vorbeigekommen, die INL gehören. Wir wissen nicht, was das ist. Wir wundern uns nur, dass alles abgesperrt ist und außer uns hier kaum jemand fährt.

Kurz vor unserem Ziel sehen wir eine große Werbetafel, wo für das Pickles Place mit den „Famous Atomic Burgers“ geworben wird. Jetzt ist es nicht so, dass wir uns von Werbung beeinflussen ließen, aber da müssen wir unbedingt hin. Vorher checken wir aber noch beim KOA ein. Es ist ein kleiner Campingplatz, wir bekommen gleich einen Platz hinter dem Hauptgebäude, in dem Klo und WLAN-Antenne sind. Besser geht es nicht.

Außer uns sind noch zwei Wohnwägen und ein großes Zeltlager da. Es sieht aus wie ein „Occupy“-Lager. Die Klos sind geräumig und mit Musikbegleitung. Mit Musik sitzt man gleich viel besser bei wichtigen Geschäften. Als erstes zücken alle gleich ihre Laptops und Tablets um nach drei Tagen wieder ins Internet zu kommen.

In den vergangenen Tagen haben wir großen Respekt vor der Generation bekommen, die ein Leben lang ohne Internet auskommen musste. Lebensbedingungen, die man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann… Irgendwann nimmt dann aber doch der Hunger überhand und wir erinnern uns an das Pickles Place.

Da es im Navi nicht vorkommt, müssen wir es händisch suchen. Mit nur einmal vorbeifahren finden wir es. Auf der Speisekarte sehen wir, warum die Burger „atomic“ heißen. Die Stadt Arco, in der unser Campingplatz liegt, war 1955 die weltweit erste, die mit Atomstrom versorgt worden ist. Ob die Burger radioaktiv sind, wissen wir nicht und fragen auch lieber nicht nach.

Frittierte Gurkerl sind die Spezialität des Pickels Place

Frittierte Gurkerl sind die Spezialität des Pickels Place

Die Spezialität hier sind die frittierten Gurkerl. Wir bestellen uns natürlich eine große Portion zur Vorspeise und alle außer Tonittt einen Atomic Burger. Das ist ein normaler Burger mit Champignons und Zwiebel. Das ganze schmeckt recht gut. Hinter dem Lokal ist ein hoher Berg, der mit großen Nummern „verziert“ worden ist.

Die Highschool-Abschlussklasse von 1920 hat eine große „20“ auf den Berg gemeißelt, um ihren Abschluss zu feiern. In Europa wären sie dafür ins Gefängnis gekommen, in den USA haben sie damit eine Tradition begründet und jede Klasse hat seither ihr Abschlussjahr in den Berg geklopft. Entsprechend sieht das ganze auch aus.

Keine Graffiti-Chaoten, sondern eine Tradition aus den 20er Jahren: Den Berg verschandeln

Keine Graffiti-Chaoten, sondern eine Tradition aus den 20er Jahren: Den Berg verschandeln

Gesättigt treten dann wir die Rückfahrt an. Am Campingplatz steht gerade die Besitzerin vor der Laundry und verkauft Eis. Eine große Eiskugel mit Schokosauce und bunten Sträußeln um 1 $ ist ein gutes Geschäft für uns.

Am Abend nutzen wir die Internetverbindung aus. Mura schaut dabei nach, was es über Arco so wissenswertes gibt. Dabei findet er heraus, dass es nicht nur die erste Stadt war, die mit Atomstrom versorgt worden ist, sondern dass hier in der Nähe auch die weltweit erste nukleare Katastrophe stattgefunden hat.

Es war eine experimenteller schneller Brüter, der in den 60er-Jahren kurz mal in die Luft geflogen ist. Die Verstrahlung wurde als nicht so schlimm eingestuft, weil eh nur ein beschränktes, dünn besiedeltes Gebiet in Idaho kontaminiert worden ist. Nämlich so ziemlich genau jenes, wo wir gerade sind. Wir werden alle sterben…

Strahlenschutz-Bunker aus den 60er Jahren?

Strahlenschutz-Bunker aus den 60er Jahren?

Jetzt wissen wir auch, warum Arco mit 995 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt im ganzen County ist. Ach ja… ein paar Jahre nach der Explosion des schnellen Brüters ist auch noch ein wenig radioaktives Plutonium ausgetreten, weil jemand versehentlich einen Behälter geöffnet hat… Wenn uns morgen früh alle Haare ausgefallen sind, wissen wir wenigstens warum.

In der Hoffnung auf einen strahlenden Tag morgen gehen wir um ca. 0000 schlafen. Momentaner Standort: 43.627005,-113.295393

4 thoughts on “Tag 20: Idaho

  1. Ihr könntet euren Gastank mit der chemischen Toilette verbinden, nachdem die nie geleert wird, könnte das Euren Gastank gratis füllen 🙂
    Sind in Arco alle Leute gelb?
    Gibt’s Moes Bar?

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